Beiträge mit dem Tag 'nachlese'


  • Nachlese Sommerkonzert

    Was für ein fulminantes Sommerkonzert! Die etwa 120 Gäste, die das Sommerkonzert am Montagabend im Stavenhagenhaus miterleben konnten, gingen ganz beseelt in den dann leider doch schon frühherbstlich anmutenden Abend. Von Friederike Haufe kompetent und informativ durch das Programm geleitet, erschlossen sich die Musikdarbietungen noch einmal in ganz anderer Weise und konnten noch intensiver genossen werden. Schwerpunkt des Programms waren Gedichtvertonungen von Gustav Falke, der von 1904 bis 1916 in der Brückwiesenstraße in Groß Borstel lebte, durch Hamburger Komponist*innen. Was für ein Glücksfall, dass die Sopranistin Martina Hamberg-Möbius die sehr anspruchsvollen Gesangspartien vortrug. So lernten die Zuhörer und Zuhörerinnen nicht nur die hervorragende Sängerin kennen, sondern gleichzeitig die Vorsitzende der „Freunde des Stavenhagenhauses“. Frau Hamberg-Möbius leitet die kulturelle Vereinigung der „Freunde…“ erst seit wenigen Monaten und wird in deren 60. Jubiläumsjahr sicherlich weitere neue Impulse geben.

    Die gute Zusammenarbeit beider kultureller Einrichtungen, der „Freunde…“ und der „IMuD“, für dieses Konzert lässt auf Fortsetzungen hoffen. Begleitet wurde Martina Hamberg-Möbius vom Pianisten Gerd Jordan, der jederzeit sicheres Geleit für die Stimme der Sängerin gab und als ein Pol der Ruhe die Vielfalt von Text, Gesangesnoten und Pianonoten bändigte. Quasi eingerahmt wurden die Gedichtvertonungen vom Spiel des Klavierduos Friederike Haufe und Volker Ahmels. Sie hatten 2 Werke von Felix Mendelssohn ausgewählt, diesen bedeutenden „Kurzhamburger“ (die Familie zog 2 Jahre nach der Geburt von Felix Mendelssohn nach Berlin) und die fünf 5 Duette für vierhändiges Klavier von Ruth Schonthal, die 1924 in Hamburg geboren wurde und schon im Alter von 6 Jahren in Berlin ein Musikstudium begann, also auch eine „Kurzhamburgerin“. 1938 emigrierte sie nach Schweden. Das Klavierduo Haufe/Ahmels ist in Groß Borstel ja sehr bekannt, ihr Spiel sehr beliebt.

    Umso bedeutender ist zu bewerten, dass die beiden immer wieder Neues präsentieren, häufig im Kontext verfemter Künstler, und immer gründlich und mit viel Herzblut recherchiert und vorgestellt. Zum Abschluss dieses so eindrucksvollen Konzertes spielte der Groß Borsteler Violonist Bogdan Dumitrascu die Violinsonate op. 100 von Johannes Brahms, begleitet von Gerd Jordan, Klavier. Bogdan Dumitrascu ist u.a. fest engagiert im Philharmonischen Staatsorchester Hamburg für die 1. Violine. Sein virtuoses, mitreißendes Spiel zusammen mit Gerd Jordan war der letzte dieses an Höhepunkten so reichen Abends. Wir danken den Künstlern und Künstlerinnen und freuen uns schon jetzt auf die nächsten Konzerte in unserem kulturellen Zentrum, dem Stavenhagenhaus.

    Wolf Lüders

    Programmheft Sommerkonzert

    Heio Nölke
    Friederike Haufe

  • Nachlese der Jubiläumsveranstaltung am 06.11.2022

    Groß Borstel entdeckt seine Künstlerinnen und Künstler

    In der von Wolf Lüders moderierten Veranstaltung konnten nicht nur die erfreulichen Erfolge der bisherigen Arbeit kurz angerissen, sondern auch der gerade fertiggestellte zweite Band der „Künstlerkolonie Groß Borstel” präsentiert und zum Kauf angeboten werden. Dieser stellt u.a. bisher weitgehend unbekannte Künstlerinnen und Künstler wie Margarethe und Max Dunckel-Treu, Meta und Wilhelm Martens, Hans-Heinz Pukall, Franz Svacina oder Walther Tanck vor.

    Als Ehrengäste durften die Künstlerin Françoise Ribeyrolles-Marcus, aus Stockholm angereiste Witwe von Gert Marcus, begrüßt werden, wie auch Ingrid Schumacher, Kusine von Franz Svacina, und Elisabeth Scheikowski, Tochter von Otto Rohse, denen als Zeitzeuginnen wesentliche Informationen über Franz Svacina bzw. Marianne und Otto Rohse zu verdanken sind.

    Neben den Redebeiträgen der von Wolf Lüders interviewten Personen ergänzten musikalische Leckerbissen, gespielt vom Klavierduo Friederike Haufe Volker Ahmels oder dem Geiger Bogdan Dumitrascu, sowie eine Lesung aus dem neuen Buch über den Geiger Franz Svacina die Veranstaltung ab.

    Im Foyer wurden darüber hinaus in einer kleinen Ausstellung Künstlerinnen und Künstler wie Margarethe und Max Dunckel-Treu, Meta und Wilhelm Martens, Marianne und Otto Rohse sowie Walther Tanck mit einer Kurzbiografie und einigen Werken vorgestellt. Diese Ausstellung fand vor und nach der offiziellen Veranstaltung großes Interesse und regte zu interessiertem Erfahrungsaustausch an.

    In der Dezember-Ausgabe des Borsteler Boten wird unter Der Bote im Ohr mit einem Podcast über diese Veranstaltung berichtet. Patrick Thielen (Auf Wellenlänge) und Uwe Schröder (Der Bote) sprachen mit H. Nölke über die Anfänge und die zukünftigen Projekte der Initiative und haben Stimmung und Stimmen auf der Jubiläums-Matinee eingefangen.


  • Nachlese: Flucht ins Ungewisse – Videos

    Die Videos wurden auf der beeindruckenden Ausstellung „Flucht ins Ungewisse“ im Herbst in der Rathausdiele präsentiert. Diese Ausstellung zeigte die Biographien von 22 Hamburger Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur, die vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten mussten.

    Gert Marcus, Ausstellung 30 Jahre Weichmann-Stiftung

    Ingolf Dahl, Ausstellung 30 Jahre Weichmann-Stiftung


  • Nachlese: Lost and Found – Ein kammermusikalisches Gesprächskonzert

    In einem häufig zitierten Wahlspruch der Initiative Marcus und Dahl e.V. heißt es: „Künstlerinnen und Künstler können einen Stadtteil beleben, begeistern, provozieren, zu Diskussionen anregen und Bewusstsein schaffen“.
    Was am Montagabend, 18.11.19 im Stavenhagenhaus zu hören und zu sehen war, bestätigte voll und ganz diese Erkenntnis. Einzig die Provokation fehlte – und wurde natürlich auch nicht vermisst.

    Jens Hüttmann, stellvertretender Leiter der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, die neben der Herbert und Elsbeth Weichmann Stiftung und dem Bezirksamt Nord Hauptförderer des Konzertes war, sprach in seinem Grußwort von der Notwendigkeit, gerade in der heutigen Zeit, die in Europa stark von der Diskussion geprägt sei, Menschen aus anderen Ländern nicht ihrem Schicksal zu überlassen, sondern Exil zu bieten, die Erinnerungskultur zu stärken. Dafür sei historische Bildung besonders wichtig und die Erinnerung an die Exilierten und Ermordeten von großer Bedeutung.

    Anlässlich des 100. Geburtstages des niederländischen Komponisten und Musikers Dick Kattenburg, der mit nur 24 Jahren 1944 in Auschwitz von den Nazis ermordet wurde, kamen 7 seiner Kompositionen zur Aufführung, die teilweise erst vor wenigen Jahren von seiner Nichte, Joyce Bergmann-van Hessen, auf dem Dachboden ihres Elternhauses gefunden worden waren. Und diese Musik und ihre Interpreten konnten begeistern: Ob es die „Deux Valses à la Ravel“ waren, die „Flirtations“ oder die „Sonate for fluit en piano, Op. 5“, das Groß Borsteler Klavierduo Friederike Haufe und Volker Ahmels und die Flötistin Eleonore Pameijer erweckten die Musik Kattenburgs zum Leben, eine Musik mit vielen jazzigen Elementen und Anspielungen, modern, beschwingt und gut anzuhören. Nur etwa 30 Kompositionen von Kattenburg sind überliefert, aber bis auf eine wurden sie zu seinen Lebzeiten nie aufgeführt. Bevor Dick Kattenburgs Karriere beginnen konnte, wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft während einer Razzia in einem Kino verhaftet und kurze Zeit darauf ermordet. Mit großem Interesse und Anteilnahme verfolgten die Zuhörer und Zuhörerinnen das Gespräch mit Joyce Bergmann-van Hessen und der Flötistin Eleonore Pameijer und erfuhren, wie eine damalige Bekannte von Dick Kattenburg, die den Holocaust überlebt hatte, reagierte, als sie vor etwa 10 Jahren die Sonate für Flöte und Piano zum ersten Mal hörte und ihr gewahr wurde, dass diese Sonate als musikalischer Liebesbrief gemeint war. Eleonore Pameijer hat in Holland die „Leo Smit Stiftung“ gegründet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, verfemte und verbotene Musik wieder hörbar zu machen, und den verfolgten, ermordeten oder ins Exil gegangenen Musikern und Komponisten ihren Platz in der Geschichte zurückzugeben. Damit verfolgt die Stiftung die gleichen Ziele wie das Zentrum für Verfemte Musik an der Hochschule für Musik und Theater Rostock, das von Volker Ahmels geleitet wird.

    In wunderbarer Ergänzung zur Musik Kattenburgs kamen drei Werke von Ingolf Dahl zur Aufführung, darunter zum ersten Mal in Hamburg die „Serenade for Four Flutes“ aus dem Jahr 1960. Neben Eleonore Pameijer spielten die Flötistinnen Wiebke Bohnsack, Ulrike Beißenhirtz und Lucia Höhmann mit viel Freude am Spiel, Präzision und Hingabe und mit einem kleinen Augenzwinkern, denn diese Serenade entstand in einer Phase, als Ingolf Dahl eigentlich mit der Komposition einer Kammersinfonie beschäftigt war, die ihm aber nicht so leicht auf das Notenblatt kam.
    Die beiden anderen Werke Dahls waren Stücke für vierhändiges Piano, die von Volker Ahmels und Friederike Haufe interpretiert wurden. Hohe Perfektion und große Empathie für den Komponisten und die Musik, die sie interpretieren, kennzeichnen ihre Spielweise. Auch hier gab es eine Hamburger Erstaufführung, die mit einer interessanten Anekdote eingeleitet wurde: Das „Rondo für vier Hände“ hat Dahl 1938, damals noch in Zürich, unter dem Namen Ingolf Marcus begonnen und erst 1939 im amerikanischen Exil unter dem Namen Ingolf Dahl zu Ende geschrieben. In Amerika nahm er den Namen seiner schwedischen Mutter an und verweigerte fortan die Verwendung der deutschen Sprache.

    Zum Schluss dieses an besonderen Momenten überaus reichen Konzertes gab es einen weiteren Höhepunkt: Das Klavierstück für vier Hände „Tap Dance – Stepptanz“ aus dem Jahr 1936 von Dick Kattenburg wurde von dem Musiker und Tänzer Tonio Geugelin live auf der kleinen improvisierten Bühne vor dem Piano getanzt. Ein fröhliches und furios getanztes Finale! Der Applaus für alle Künstler, Künstlerinnen und Mitwirkenden war lang anhaltend und verdient.

    Wolf Lüders


  • Nachlese: Lesung Ingolf Dahl 13.5.2019

    Die Klarinettistin Melina Paetzold hat ihr im April 2019 erschienenes Buch „Ingolf Dahl – Biografie eines musikalischen Wanderers“ im Stavenhagenhaus vorgestellt. Die Autorin hat aufwändig recherchiert und lässt den Leser miterleben, was es bedeutet, als politisch Verfolgter seine Heimat zu verlassen, ja sogar seine deutsche Abstammung zu verheimlichen, um in der Fremde eine neue Zuflucht zu finden.

    Nachlese Lesung Ingolf Dahl 13.5.2019